Diese Präsentation in der Bibliothek eines traditionsreichen ungarischen Gymnasiums folgt denselben ästhetischen Prinzipien wie mein Xing-Blog: In der Vitrine werden die Grundlagen des Landvermessens neben das Resultat einer astronomischen Nachtsitzung gerückt. Das eine gibt dem anderen eine poetische Bedeutung und setzt die Fabuliermaschine in Gang:
Ein Schüler, von seinem Lehrer in der Lateinstunde beim Spicken erwischt („Dieser Kommentar zur Coniuration des Sallustius ist so schlecht, den kann er gleich aus dem Fenster werfen!“) handelt entsprechend, da er das nächste Fenster offen findet, und wirft das Buch hinaus. Der Lehrer bestraft ihn wegen dieser Disziplinlosigkeit (lat. discipulus – der Schüler) zum Nach(t)sitzen im Karzer. Am Abend befreit er ihn, einsichtig geworden ob der intelligenten Eulenspiegelei, und holt ihn in die Sternwarte: Dort darf er ihm bei den astronomischen Beobachtungen assistieren. Mit seiner schönsten Schrift notiert der Schüler die geographischen Bezeichnungen der Mondoberfläche: Mare Crisium, Crater Ptolemaeus… Und der Mond geht ihm in der Tasche auf.
Dieses lockere Arrangement von Titel (inscriptio), Bild (pictura) und auslegendem Text (subscripito) ist der barocken Emblematik entlehnt, deren Konventionen freilich (auch moralisch) strenger waren:
In Alciatos „Buch der Embleme“ (Alciati emblematum liber), erschienen in Augsburg 1531, erweitert in Paris 1534, sieht man zum Beispiel unter der Überschrift „Gegen die Astrologen“ das Bild des stürzenden Ikarus und darunter die Warnung vor haltlosen Prophezeiungen und vor Hochstapelei.
http://www.mun.ca/alciato/test1.html
Parallel zur meiner Lektüre des Romans „KAFF auch Mare Crisium“ von Arno Schmidt entstand eine Reihe von Text-Bild-Arrangements, bei denen einem Zitat (motto) aus dem Roman ein eigenes Foto (pictura) und ein kurzes Gedicht (inscriptio, subscriptio) beigesellt wurden.
1. KAFF auch Mare Crisium (1970), S. 15
2. KAFF auch Mare Crisium (1970), S. 181 f.
3. KAFF auch Mare Crisium (1970), S. 281
4. KAFF auch Mare Crisium (1970), S.306
5. Variante: KAFF auch Mare Crisium (1970), S. 306
Ergänzung: In der FAZ vom 13. August 2011 erschien eine Rezension über die Neuausgaben von Johann Keplers „SOMNIUM SIVE ASTRONOMIA LUNARIS“ (1634), dem Traum von einer Reise auf den Mond, der auch alles damals bekannte astronomische Wissen erhält: „Im Schatten der Erde fliegen die Dämonen“
Das würde mich interessieren!
Péter
Fühle mich als Icaruso irgendwie direkt angesprochen oder so. Keine Ahnung. Arno Schmidt, muss man den kennen?
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Steht bei Schmidt auf S. 306 und S. 360 wirklich dasselbe? – Schönes Arrangement – die Zitate, Bilder und Texte!
Danke, freut mich, dass es Dir gefällt. Tatsächlich hat die Fischer-Taschenbuchausgabe des KAFFs nur 346 Seiten – 360 ist ein Zahlendreher (inzwischen korrigiert). Aufmerksame Leser braucht das Internet!