Westöstlicher Diwan

Hafis-Goethe-Denkmal in Weimar

Westöstlicher Diwan

vom Entführungskommando mit dem Zeichenstift

nackt auf den fliegenden Teppich gepfählt

die Vorratsdaten gespeichert

lug ich unter der schwarzen Kapuze hervor

der Goethe, der Hafis, die Pistolen im Nacken

korrigieren panisch den Kurs

nur ich widerspenstige zitternde Kompassnadel

strecke weit meine trockene Zunge aus

ein wenig am Grönlandeis zu lecken

(XING)

 

Hafis-Goethe-Denkmal in Weimar

Das im Jahr 2000 eingeweihte Hafis-Goethe-Denkmal am Beethovenplatz in Weimar mit zwei aus einem einzigen Granitblock geschnittenen Stühlen, die an die Begegnung Goethes mit dem Werk des persischen Nationaldichters Hafis (1326-1390) erinnern sollen. Auf dem Teppich aus Bronze Verse von Hafis und Goethe. (Foto: Most curious)

Auf der Andenseite

Der Kondor, stolzer Vogel – im Ohr hat man unweigerlich die Indioflöte und den mehrfachen Aufschwung der Melodie. Jetzt auch real in dieser Stadt, keine Fußgängerzone in Europa ohne Indio-Musik. Die Maschinen von Lima nach Cuzco – natürlich auch zu den übrigen Zielen auf der anderen Seite – fliegen immer sehr früh morgens, um die Aufwinde, die vom Pazifik kommen, zu nutzen und sich nicht den landseitigen Abwinden später am Tag entgegenstemmen zu müssen. Machu Pichu – wenn man es aus großer Höhe anschauen würde – hat die Umrisse eines riesigen Vogels. Ich bin aber gar nicht dort, sondern hier in Budapest, in der Endstation der kleinen Untergrundbahn. Auf der Andenseite bin ich jetzt nur, weil Kriemhild immer die Silben verschluckt, wenn sie „auf der anderen Seite“ sagen will, und das kommt oft vor. Kriemhild ist die deutsche Version von Ildikó. Machu und Pichu – jedenfalls wie ich es ausgesprochen gehört habe, mit diesem „tsch“ – hätten bei lascher Aussprache des Endvokals im Ungarischen auch so ihre Anklänge, anstößige dazu. Wenn Kriemhild flucht, dann flucht sie auf das Geschlecht der Mutter, und das tut sie wie ein Kutscher, also machomäßig, was auch dazu passt, wie sie raucht und Schnaps trinkt. Weder Weibchen noch Emanze, also ganz auf der Andenseite. Die kleine U-Bahn fährt im Zwei-Minuten-Takt, es gibt wenig Zeit, sich umzuschauen, außer man nimmt den übernächsten Zug. Zur Hundertjahrfeier hat man die Stationen wieder hergerichtet, die alten Kacheln ergänzt und aufgefrischt, die gusseisernen Träger neu gestrichen, und ein paar Vitrinen aufgestellt, in denen Bezüge zum Pester Leben der vorletzten Jahrhundertwende hergestellt werden. Zum Beispiel hier die Plakatkunst. Und weil ich mir Zeit genommen habe, mache ich eine Entdeckung.

Internationaler Holocaust-Gedenktag in Budapest

Angesichts der Tatsache, dass bald keine Zeitzeugen mehr leben, richtet sich der Blick nach vorn: Im Budapester Holocaust-Gedenkzentrum wurde heute aus Anlass des Gedenktages das Projekt „Egy/másért“ („For Each Other“ – „Ein jeder für den Anderen“) vorgestellt. Die Botschafter von sieben Ländern (Deutschland, Großbritannien, Kanada, Polen, Schweden, Tschechien, USA) stellten hochrangige kulturelle Projekte vor, die sich – zum Teil länderübergreifend – schon seit Jahren erfolgreich für Toleranz und Völkerverständigung, für den Schutz von Minderheiten und der Menschenrechte, für die Integration von Migranten, gegen Antisemitismus, Rassismus, Ausgrenzung und Holocaust-Leugnung einsetzen. Mit der Initiative möchten die Organisatoren, unterstützt vom Ungarischen Ministerium für Kultur und Bildung, insbesondere junge Menschen für diese Themen interessieren und zum sozialen Engagement in eigenen Projekten anregen.