Irene Ullrich-Leimbach: Die Teilzeittusse
Ich bin die Teilzeittusse,
mit der Vollzeitmuse,
die Halbtagsfrau,
mit viel know how.
Ich mache selten blau
und keinen Radau,
sitz deshalb für immer
im Niedriglohnzimmer.
Man verkennt mein Talent,
denn ich sehe, wo es brennt!
Mein Arbeitgeber blickt voraus,
ich zahle mich voll aus,
mit halber Knete dabei
maloche ich für zwei.
Mein Chef ist sehr schlau,
er weiß ganz genau,
wenn’s im Job mal nicht läuft,
liegt’s an der Teilzeitfrau,
denn die hat ständig frei,
ist nie da und nie dabei!
Mein Mann ist auch sehr schlau,
er schätzt mein know how,
er traut mir alles zu,
hat dann mal seine Ruh.
Ich hab ja die Zeit
und doppelt so viel Muße,
bin schließlich seine Halbtagstusse,
verhalt mich unkompliziert,
weil er mich finanziert.
Die Kinder halten mich auf Trab,
ich fahr sie hin und hol sie ab,
sie kennen weder Bahn noch Busse,
bin schließlich ihre Halbtagstusse.
Als Halbtagsfrau –
ganz ohne Lohn
treff ich im Ehrenamt
mit meiner Intuition
stets den richtigen Ton.
Zu guter letzt:
Ich werde chronisch unterschätzt,
und niemandem gerecht,
dabei fühl ich mich auch schlecht.
Mein Lohn ist ein Hohn,
bin innerlich zerrissen,
hab ein schlechtes Gewissen
und leiste doch dabei
super Arbeit für Zwei.
Ich war – bis heute – die Teilzeittusse,
mit der Vollzeitmuse,
die Halbtagsfrau,
mit sehr viel know how.
Ich machte selten blau,
deshalb mach ich mal Radau,
sonst bleib ich für immer
im Niedriglohnzimmer.
Verhalte mich sehr schlau,
werd hier zur Rampensau,
sonst hört man mich nicht,
und die Rente bleibt mau.
(Nochmals wiederholen)
04.09.2016
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Andrea Nagy: Lebensunterhalt (Übersetzung: Dieter Uesseler)
Lustlos – auszukommen ist halt schwierig heutzutage –
geh ich die Liste durch, welche Freundin ich wohl frage,
wen schnorr’ ich an, wem käm’ der Ruhm des Retters wohl zurecht
vor’m Hungertod, naja, ’ne Schlankheitskur wär’ auch nicht schlecht.
Zuerst denk ich an Kata, wir reden jeden Tag, und dann
hat sie bei mir gewohnt, mal hat sie mir was geraten,
also ’ne Bitte, von mir bescheiden vorgetragen, kann
diesem Schutz- und Trutzbund kaum noch schaden.
Ich greif’ zum Telefon, obwohl nicht in der Stimmung,
stoß’ meine Bitte schnell hervor. Es zeigt sich: zu behende.
Die trock’ne Antwort: Leider, Andi, bis zum Monatsende
hab ich nicht mehr als Siebzigtausend zur Verfügung.
Und ich Eintausendundfünfhundert, lach’ ich ins Telefon,
schon komisch, wovon der Mensch so gute Laune kriegt.
Von Montag an will sie, sagt sie in strengem Ton,
dass sie auch andern geg’nüber ’ne klare Grenze zieht.
Ich hätt’ geglaubt, wenn’s mir nicht selbst geschehen wäre,
hier geigt die Ameise der Grille die wohlverdiente Lehre.
Die zweite Opferkandidatin ist die Gréti.
Das ist ’ne wirklich kämpferische Amazone.
In Herz und Nieren schaut sie, prüft sie ohne
Gnade. Verhandeln geht leichter mit Krethi und Plethi.
Klasse Frau, aber sie legt auf die Goldwaage jedes Wort,
mit ihr kannst du nicht so locker losquatschen: Sie lächelt –
sie akzeptiert dich – doch find’t sie immer den Ort,
wo grad dein Charakter schwächelt und hechelt.
Na gut, summa summarum und alles in allem
brauch’ ich das Geld. Für sie nur ein kleiner Gefallen,
für mich ein Traum, dass an Traumes Statt
meine Familie morgen Abend zu essen hat.
Also Gréta, sag ich, ich brauche Fünftausend. Stille
am andern Ende. Na bitte, auch für sie scheint’s zu ville
Na gut, wenn’s Schwierigkeiten macht, vergiss es,
hab nix gesagt. – Nu lass mich mal denken, stopp
den Redefluss, ich zerbrech’ mir gerade den Kopp
sind Acht oder Zehn nicht besser, und was ist
schneller, es heute überweisen, oder möchtest
du’s übermorgen bar auf die Hand in Budapest?
Hier könnt’ die Geschichte schön zum Ende kommen.
Und was wär’ die Moral, zu Nutz und Frommen?
Tja, seht nur, wer die wahre Freundin ist…
Mein Glück, auch Katas Geschichte ist nicht zu Ende.
Das Leben, würd’ es nicht erzählt, spräche Bände.
Die Funkstille des Mammons wegen war peinlich,
und Kata zeigte sich dann mitnichten kleinlich
einen Tag später mit ’nem hübschen Sümmchen.
Ihre Bitte war nur, dass ich’s erstatte, unbedingt.
Nix dagegen, sag’ ich, jede ihren Frieden find’t.
Moral: Kredit oder Misskredit –
gut, wenn’s ohne Zinsen geht.
25.12.2015
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Csilla Susi Szabó (geb.1988): Ich und ich
Ich und ich wohnen im selben Haus,
Schmecken, sehen, hören das gleiche, verstehen es allerdings unterschiedlich.
Fühlen jedoch ähnlich, träumen dasselbe und schlafen gemeinsam ein.
Das eine Ich denkt, arbeitet und spricht, schreibt, liest und sieht: Deutsch.
Das andere Ich denkt, kocht, würzt und wütet, lacht und flucht: Ungarisch.
Die zwei Ichs.
Beide sind vorhanden.
Zanken sich, wer der Stärkere, wer von ihnen größer sei, mehr Anteile am Haus hätte, welche ihrer
„Wurzeln” die einzig wahren seien.
Jene Streitigkeiten enden immer mit einem Unentschieden.
Keiner der beiden hat je gewonnen oder verloren.
Nach solchem Gerangel sitzen sie oft da, beide auf ihrem einzigen Stuhl.
Teilen sich ein Scheibchen Brot, eine Hälfte mit Hasselnussbrotaufstrich beschmiert, die andere mit
„Pick-Salami” bestückt.
Sitzen dann dort, schweigend jeder für sich sein Brot kauend, ich und ich nebeneinander.
In einem Haus.
Heimatlos?
29.11.2013
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