„Confusio – Die Verwirrung“ lautet der Titel eines Kupferstiches, der an der Wand unseres Wohnzimmers in Budapest hängt. „Babyolonia undique – Babylon ist überall“ steht über der hochmütigen Frauengestalt, die sich dem Turmbau nähert und dabei alle Finger ihrer rechten Hand abspreizt. Wenn Du mit dem Finger auf einen andern Menschen zeigst, denke daran, dass mindestens drei auf Dich zurückzeigen. Das sagte der unvergessene Bundespräsident Gustav Heinemann vor fünfzig Jahren, als in Europa die 68er auf die Straße gingen. Auch im vergangenen Jahr gab es Anlass genug, Sprachverwirrung zu beklagen. Lügen und Fake News wollen sich mit dem Kampf gegen eine angeblich herrschende PC („political correctness“) rechtfertigen; ein für seine Reportagen mehrfach ausgezeichneter Journalist wird als Meister der Fiktionen enttarnt. Am liebsten möchte man mit dem ganzen Quatsch und Gequatsche nichts mehr zu tun haben. Und wieder mahnt uns ein Bundespräsident, Walter Steinmeier, in seiner Weihnachtsansprache:
„Und mehr noch als der Lärm von manchen besorgt mich das Schweigen von vielen anderen. Immer mehr Menschen ziehen sich zurück unter ihresgleichen, zurück in die eigene Blase, wo alle immer einer Meinung sind – auch einer Meinung darüber, wer nicht dazugehört. Nur, so sehr wir uns über andere ärgern oder sie uns gleich ganz wegwünschen, eines gilt auch morgen noch: Wir alle gehören zu diesem Land – unabhängig von Herkunft oder Hautfarbe, von Lebensanschauung oder Lieblingsmannschaft.
Das ist das Schöne und das Anstrengende an der Demokratie zugleich. Wir müssen wieder lernen, zu streiten, ohne Schaum vorm Mund, und lernen, unsere Unterschiede auszuhalten. Wer Streit hat, kann sich auch wieder zusammenraufen. Das kennen wir von Weihnachten mit der Familie. Aber wer gar nicht spricht und erst recht nicht zuhört, kommt Lösungen kein Stück näher. Sprachlosigkeit heißt Stillstand.“
In diesem Sinne: Auf in ein meinungsfreudiges, gesprächsbereites neues Jahr 2019!
Lieber Dieter,
ein schöner Schlussstrich, der zugleich eine neue Seite eröffnet.
Lieber Dieter,
ein wirklich schönes und kluges Bild. (Kann mich gar nicht mehr daran erinnern.)
Ich wünsche dir und deiner Familie ein gesundes, erfolgreiches und natürlich auch ein meinungsfreudiges Jahr 2019.
Herzliche Grüße aus Rotterdam
Ralf
Lieber Dieter, ich habe zum Jahreswechsel auch einen Beitrag in meinem BLOG geschrieben. Aber naturgemäß, da wir von unterschiedlicher Natur sind, fällt der ganz anders aus als der Deine. Ernste Aussagen sind für mich in der heutigen spachüberladenen Medienzeit immer zugleich pathetische Worte. Und damit habe ich es nicht, wie Du weißt. Ich habe mir heute ein wenig die Zeit vertrieben, und dabei mein iPhone bereit gehabt. Folgendes Satyrspiel 2019 ist dabei herausgekommen: http://www.leolaeufer.com
Gruß
Hermann
Stimmt, lieber Hermann. Weitgehend entpersonalisiert und fast pathetisch. Aber mir war gerade danach, nicht zum ersten Mal. Wie gut, dass wir verschieden sind. Ich hab’s zurzeit auch eher mit Hunden als mit Katzen. Verse wie von Wilhelm Busch oder wie von Leo Läufer möchte ich schon ab und zu mal schreiben. Ein wenig beneide ich Dich um Deine Leichtigkeit. Es ist ja noch nicht zu spät. Aber empfinden wir die Verse von Samuel Beckett nun als leichtfüßig oder bedeutungsschwer? «Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better.» Fragezeichen. Grüße Dich, Dieter
Du Beckett,
ich Busch?
Auch in unseren Einschätzungen bleiben wir immer die, die wir sind.
ein Turm und die Stadt, die er Babel, sie nennen es, sie zu bauen. Noce, die ihre Nachkommen, die ihrer Meinung nach kein Ausdruck eines höher ist. Dieser confilii Gott weiß und sieht ihn, was vor uns, sie wird halten zu sein. Die beiden Bewegungen verwirrend wirklich linnguam sie in jeder Region der Welt disficit unterstützen
Diese Übersetzung erhielt ich online, von diesen lateinischen Worten über dem Bild. Kannst Du mir da weiterhelfen?
Und was haben die fünf Finger der Dame mit Gustav Heinemann zu tun? Und dessen Ausspruch mit den 68ern?
I am lost in translation.
Liebe Grüße
Hermann
Ich lese nicht „Noce”, sondern „Noae”. „Noae posteri” – die Nachkommen Noas. Hinweis auf eine andere Katastrophe im Alten Testament, die Sintflut. Strafe für menschliche Hybris.
Mit meinem Küchenlatein verstehe ich den Satz so:
Den Turm und die Stadt, Babel genannt, erbauten die Nachkommen Noas. Und nichts sollte höher sein, so dachten sie. Gott erkannte diese Absicht, verwirrte ihre Sprache und zerstreute sie über alle Teile der Erde.
Was die Frauengestalt mit den Fingern macht, weiß ich nicht. Die Gesten der Hand sind interkulturell eine Quelle von Missverständnissen. So fiel mir der Satz des alten Heinemann ein. Eine Assoziation, kein logischer Zusammenhang. Wenn ich auf andere zeige, sage ich mehr über mich als über die anderen. Ein Gedanke gegen das vorschnelle Etikettieren, in geistige Schubladen sperren. (Busch und Beckett, haha.)
Genauer wäre nicht nur die rechte Hand, sondern die gesamte Haltung der Frauensperson zu betrachten. Sie dirigiert ein Flammenkonzert. Eine Allegorie: Sie verkörpert den Ratschluss Gottes. Sie orchestriert die Vernichtung Babylons, das weltweite Kommunikationsdesaster.
Dass wir einander nicht verstehen, ist der Normalfall. Google Translator wird dagegen wenig ausrichten.
Amen
Ich bemerke bei Dir eine gewisse hostility.