An der Schwelle zum neuen Jahr
Dieses Kirchenportal in Lébény hat mehr Charme als eine Erstaufnahme-Einrichtung. Es wurde auch länger daran gebaut. Es gab einen Plan. Wunderbar, diese Symmetrie. Aber manchmal ist ja – was spiegelbildlich zu sein vorspiegelt – durch ein winziges Detail verändert – eine Laune, eine Mutation, ein spontaner Einfall, eine Abweichung im Muster schaffen einen Riss in der Realität – und durch diesen Riss tritt der Engel auf die Bühne, wie hier am Eingang zu einer der wenigen romanischen Kirchen in Ungarn, die der Mongolensturm übrig gelassen hat. Heißt der Engel den Ankömmling willkommen? Oder ist er der Türhüter, der streng die Identität prüft? Stimmen die Papiere vor dem Gesetz? Holt der Engel sein Flammenschwert hervor? Eins ist sicher, wie bei Kafka nachzulesen ist: Dieses Portal ist nur für diesen einen Asylsuchenden errichtet. Er muss allen Mut zusammennehmen, und er muss hinter die Rede des Engels schauen. Wer eintritt, verändert nicht nur sich selbst – er verändert das Innere des Raums, den er betritt.